Warum es ein Trugschluss ist zu glauben, dass man allein durch die Teilnahme an einem Leitungskurs plötzlich mehr Leitungskompetenz hat als erfahrene Leitungspraktiker.
Eine Glaubensgemeinschaft oder Kirche ist nicht mit einem Wirtschaftsunternehmen vergleichbar. Haupt- und Ehrenamtliche dienen gemeinsam der Verkündigung des Evangeliums. Ihr Ziel ist weder die persönliche Bereicherung Einzelner noch der Aufbau einer glanzvollen Konzernlandschaft. 160 Jahre nach ihrer Gründung sieht sich die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in einigen Regionen der Welt mit einer zunehmenden Säkularisierung konfrontiert. In Deutschland stagniert ihr Wachstum. Einerseits ist die Zahl der Mitglieder rückläufig, andererseits verfügen die Adventisten über finanzielle Mittel wie nie zuvor. Werden diese Möglichkeiten genutzt, um in eine wirksame Mission zu investieren oder wird die Kirche zum Spielfeld einzelner Interessensgruppen? Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Brief an die Gemeinde in Laodizea ziehen? Offenbarung 3, 17 BB: „Du sagst: Ich bin reich, habe alles im Überfluss und mir fehlt es an nichts. Dabei weißt du gar nicht, wie unglücklich du eigentlich bist, bedauernswert, arm, blind und nackt.“
Sowohl die Weltkirchenleitung als auch die Freikirche in Deutschland bieten gut gemeinte Fortbildungsmöglichkeiten an. Erfolgreich und effektiv sind Angebote, die theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen verbinden. Eine Herausforderung ist die Unterstützung der ehrenamtlichen Leiterinnen und Leiter. Hier hat sich ein lukratives Betätigungsfeld für Trainer und Coaches entwickelt. Sie vermitteln vor allem Instrumente, die entweder außerkirchlichen Managementtechniken entlehnt sind oder von praxisfernen theologisch ausgebildeten Dozenten stammen. So werden zum Beispiel Marketingstrategien anstelle von gabenorientierten Berufungen favorisiert, um möglichst steril und automatisiert neue Adressatengruppen zu erreichen. Auf dieser Basis entstehen Gemeindewachstumskonzepte, die realitätsfern und instabil sind. Im schlimmsten Fall führen sie zu kritischen Zerfallserscheinungen in der Gemeinde. Der Glaube, dass die Teilnahme an einem Leiterschaftskurs jemanden automatisch in eine Verwaltungselite katapultiert und mehr Sachkompetenz verleiht als erfahrenen Praktikern, ist bedenklich.
Wissen gegenüber Erfahrung
Schulungen und Trainings vermitteln theoretisches Wissen und praktische Fertigkeiten, aber echte Leitungskompetenz wird durch Erfahrung in der Gemeindearbeit entwickelt. Geübte Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter sind mit einer Vielzahl realer Herausforderungen konfrontiert worden, die es ihnen ermöglichen, nuancierte Einsichten und adaptive Strategien zu entwickeln, die in einem Kurs oder einer Seminarreihe nur ansatzweise behandelt werden.
Kontextbezogenes Verstehen
Die Wirksamkeit von Leitung ist in hohem Maße kontextabhängig. Erfahrene Frauen und Männer im geistlichen Dienst haben ein tiefes Verständnis für die spezifischen Herausforderungen und Dynamiken in ihrer Gemeinde. Dieses kontextuelle Verständnis ist entscheidend für eine segensreiche und sichere Leitungsverantwortung.
Emotionale Intelligenz und Beziehungsaufbau
Effektive Leitung erfordert emotionale Intelligenz, Einfühlungsvermögen und die Befähigung, enge Beziehungen zu den Gemeindegliedern aufzubauen. Diese Fähigkeit wird durch jahrelange Erfahrung und zwischenmenschliche Interaktion verfeinert.
Komplexe Entscheidungsfindung
Gemeinde zu leiten bedeutet, komplexe Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen zu treffen. Erfahrene Praktiker sind in der Lage, mit Mehrdeutigkeiten umzugehen, Risiken abzuschätzen und fundierte Urteile auf der Grundlage ihrer gesammelten Erfahrungen zu fällen.
Anpassungsfähigkeit und Resilienz
Gemeindeleitung ist dynamisch und erfordert Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umstände. Erfahrene Leiterinnen und Leiter haben eine Reihe von Herausforderungen und Rückschlägen gemeistert und dabei die Fähigkeit erworben, sich bei Bedarf neu auszurichten. Diese Anpassungsfähigkeit ist ein Schlüsselaspekt effektiver Leitung.
Kontinuierliches Lernen und Wachstum
Die Entwicklung von Frauen, Männern und Jugendlichen zu Leitungspersönlichkeiten ist ein kontinuierlicher Prozess, der weit über die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen hinausgeht. Erfahrene Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter sind sich der Bedeutung von kontinuierlichem Lernen, Selbstreflexion und Wachstum bewusst und suchen aktiv nach Möglichkeiten, ihre Führungsqualitäten im Laufe der Zeit zu verbessern.
Partnerschaft statt Konkurrenzdenken
Gemeindeglieder in Leitungsfunktionen sollten sich auch außerhalb von Sitzungen und Konferenzen eng miteinander vernetzen und austauschen. Dieses Voneinander-Lernen oder Peer-Coaching ist ein biblisches Prinzip, das Lebendigkeit fördert. Kolosser 3,16 BB: Das Wort, in dem Christus gegenwärtig ist, wohne in reichem Maß bei euch. Lehrt einander und ermahnt euch gegenseitig. Tut das in aller Weisheit. Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder. Denn er hat euch Gnade geschenkt.
Statt sich in Konkurrenz zu positionieren, können Gemeinden Partner- oder Patenschaften eingehen und sich gegenseitig inspirieren. So werden kleine Gemeinden von großen, mitgliederstarken Gemeinden in allen Bereichen personell, materiell, finanziell und vor allem im Gebet unterstützt. Eventuell entsendet eine größere Gemeinde zeitweise Mitglieder für Leitungsaufgaben in eine kleinere Gemeinde.
Eine Mentoring-Beziehung ist besonders geeignet, um die Leitungskompetenz zu verbessern. Vom gegenseitigen Lernen und Wachsen profitieren Mentor und Mentee gleichermaßen. Die Umsetzung solcher Maßnahmen wird niedrigschwellig vereinbart und nicht durch einen komplizierten Überbau gebremst.
Fazit
Für Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter ist die Teilnahme an oft kostspieligen und aufwendigen Ausbildungen und Seminaren für bestimmte Verantwortungsaufgaben in der Freikirche entbehrlich. Wichtiger ist die Bereitschaft, sich unter der Leitung erfahrener Praktiker und unter der Führung des Heiligen Geistes für Aufgaben und Dienste in der Gemeinde hinzugeben und sich mit den Glaubensgrundsätzen der Siebenten-Tags-Adventisten zu identifizieren.
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